Kaspar Ludwig

Porträt
23. Mai 2019
Text: Annette Hoffmann

Kaspar Ludwig. Träger des Helvetia Kunstpreises 2019.
Soloshow an der Liste – Art Fair Basel, Warteck PP, Burgweg 15, Basel.

Nicht, dass Kaspar Ludwig nicht entspannt wäre. Der in Basel lebende Künstler ist derart entspannt, dass seine selbstgedrehte Zigarette beim Reden so herunterbrennt, dass er sie ständig neu anzünden muss. Er macht es mit Understatement. Doch Ludwig stört sich an der Gemütlichkeit als Form inszenierten Lebensstils. Weil es ja nicht stimmt, dass es uns glücklicher macht, wenn wir im Zug oder im Flieger jederzeit einschlafen können, da wir ja unser Nackenhörnchen mit dabei haben. Und muss man wirklich immer überall zuhause sein? Und wäre es manchmal nicht sogar besser man bliebe dort? Man wird also das Angebot des diesjährigen Träger des Helvetia Kunstpreises auf der Liste – Art Fair mit Vorsicht genießen müssen. Das angebotene Kissen ist aus Messing und drückt die Schultern herunter als befände man sich in einem Schandblock. Und die repräsentativ wirkende Bank aus Marmor ist nicht nur ziemlich hart, sondern derart geneigt, dass man sich nur mit großer Mühe aufrecht halten kann. Nicht zufällig erinnert die Form an einen Thron, Monarchen wissen es, die Insignien der Macht sind unbequem.

Dass die Bank aus Marmor ist und von Freunden Ludwigs gefräst wurde, hat viel mit seiner Biografie zu tun. Kaspar Ludwig, der 1989 geboren wurde, wuchs im Tessin auf, bereits zu Schulzeiten wechselte er nach Italien über. Da lag es wohl nahe, sich auch dort zum Künstler ausbilden zu lassen. Ausgerechnet auf Carrara fiel seine Wahl. Er habe dort gelernt, „wie im 19. Jahrhundert Skulpturen zu machen“, sagt er und dass seine große Liebe zum Marmor bald verfolgen sei. Dennoch: erst jobbte er in einem dort ansässigen Kunstbetrieb, der etwa für Maurizio Cattelan, Jan Fabre und Giuseppe Penone arbeitete, dann wurde er von diesem übernommen. Nach drei Jahren hörte er auf, genug des Staubs, genug an handwerklichem Können sich angeeignet, und genug gesehen, wie unterschiedlich der Zugang von Künstlern zu ihrem Material und ihrer Arbeit überhaupt sein kann. Wenn er von den Menschen spricht, die dort oder in den Steinbrüchen arbeiten, klingt Respekt durch.

Der Marmor hat etwas mit seiner ersten Kunstausbildung zu tun wie auch die Objekte seiner Installation „Why should I buy pillows when all I want is sleep“, für die er auf der Plattform im März mit dem Helvetia Kunstpreis ausgezeichnet wurde. Die verschieden großen, aufgeblasen wirkenden Stahlbleche sind so genannte Lösekissen, die in den Steinbrüchen eingesetzt werden, um den Marmor zu spalten. Sie nahmen aber auch die Geräusche ihrer unmittelbaren Umgebung auf, die verstärkt wieder in den Raum abgegeben wurden. Der Sound erinnerte ein bisschen an die Zwischenwelt des Schlafes, auf den der Titel anspielt, ihr Aussehen aber auch an Andy Warhols Factory.

Eigentlich hatte er eine andere Arbeit für das Centre d’art contemporain Yverdon-les-Bains vorgesehen, doch der Raum erwies sich als zu dominant. Vielleicht hat er sich diese Beweglichkeit an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel angeeignet, wo er letztes Jahr seinen Master machte. Für die Präsentation im Kunsthaus Baselland hatte er mehr als 50 Gefäße in Zusammenarbeit mit einem Keramiker getöpfert. „Töpfe mit Ohren“, sagt Ludwig, denn die unterschiedlich farbigen und großen Gefäße tragen anstelle von Henkeln Ohren. „Ein Selbstporträt“, sagt Kaspar Ludwig und grinst. Doch vor allem ging es ihm darum ein Objekt zu beseelen und daran zu erinnern, dass unser Hörsinn großen Einfluss auf uns hat. Denn anders als die Augen kann man die Ohren kaum verschließen. Ganz ohne Humor geht es selten. Ironie sei wichtig, sagt Kaspar Ludwig. Sie ermöglicht, sich nicht ganz so ernst zu nehmen, ist aber auch einfach eine schöne Camouflage.